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Sterbehilfe in Österreich: Was ist erlaubt, was nicht?

Stefan Atz

VERFASST VON

Stefan Atz

2024-06-20

Lesezeit: 4 Minuten

Seit dem 01.01.2022 ist Sterbehilfe in Österreich unter spezifischen Umständen nicht mehr strafbar. Benu – Bestattung und Vorsorge informiert Sie über die verschiedenen Arten der Beihilfe zum Suizid (passive und aktive Sterbehilfe) und die aktuelle Gesetzeslage in Österreich: Was genau regelt die sog. Sterbeverfügung? Und wie erhält man sie?

Inhaltsverzeichnis

Sterbehilfe in Österreich – die Fakten

Die Sterbehilfe ist ein in Österreich viel und seit langem diskutiertes Thema. Grundsätzlich sprechen wir von "Sterbehilfe" im Zusammenhang mit Handlungen bzw. Maßnahmen, die das (natürliche) Lebensende einer Person beschleunigen. Dabei kann es sich sowohl um passive bzw. unterlassende Maßnahmen (z.B. Therapieverzicht) als auch um aktive Maßnahmen zur Beendigung des Lebens einer schwer kranken Person handeln. 

Entscheidend dafür, dass es sich um Sterbehilfe handelt, ist der ausdrückliche Wunsch bzw. auch das mutmaßliche Verlangen der betreffenden Person nach (aktiver) Hilfe im Sterbeprozess.

In Österreich ist die Sterbehilfe in Form der Beihilfe zum Suizid, das ist die Selbsttötung mithilfe einer Person, seit Jänner 2022 nicht mehr strafbar. Dies gilt allerdings nur, wenn die sterbewillige Person eine sog. Sterbeverfügung, also eine Erklärung ihres Sterbewillens, verfasst hat und diese notariell beglaubigt wurde.

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Sterbehilfe – was ist erlaubt?

Die Sterbehilfe (als Beihilfe zum Suizid) ist in Österreich nicht strafbar, sofern die sterbewillige Person

  • volljährig und (im Augenblick der Sterbeverfügung) im Vollbesitz ihrer geistigen Kräfte ist.
  • die Erklärung ihres Sterbewillens in Form einer (notariell beglaubigten) Sterbeverfügung festgehalten hat.
  • die Sterbeverfügung selbst und im Vollbesitz ihrer geistigen Kräfte beantragt hat. 
  • schwer bzw. unheilbar krank ist und dies von zwei unabhängigen Ärzten, von denen mindestens einer über die entsprechende palliative Qualifikation verfügen muss, bestätigt wurde.
  • das lebensbeendende Medikament selbstständig einnehmen bzw. selbst die Sonde auslösen kann, mithilfe derer es verabreicht wird.

Bestehen Zweifel an der Mündigkeit bzw. der Zurechnungsfähigkeit der sterbewilligen Person, muss psychotherapeutische Hilfe hinzugezogen werden. Grundsätzlich ist eine Reflektionsfrist von 12 Wochen einzuhalten, bevor die Sterbeverfügung gültig wird (es sei denn, die Lebenserwartung der betreffenden Person liegt unter dieser Frist). Eine gültige und notariell beglaubigte Verfügung berechtigt die sterbewillige Person dazu, das notwendige Medikament in bestimmten Apotheken abzuholen.

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Aktive Sterbehilfe in Österreich

Unter aktiver Sterbehilfe versteht man das Beenden des Lebens eines anderen Menschen, etwa durch eine Überdosis Medikamente. Das Abschalten einer lebenserhaltenden Maschine fällt allerdings nicht unter die aktive Sterbehilfe, da in diesem Fall nicht aktiv eine Maßnahme gesetzt, sondern eine Versorgungsmaßnahme unterlassen wird.

WICHTIG: Die aktive Sterbehilfe ist in Österreich in jeglicher Form verboten

Dies gilt selbst dann, wenn die sterbewillige Person ihren Sterbewillen ausdrücklich erklärt hat: In dem Moment, in dem ein Mensch aktiv das Leben eines anderen Menschen beendet (z.B. durch Betätigen der Sonde, die das Medikament verabreicht), ist diese Handlung strafbar und kann mit einer Haftstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren belegt werden.

Passive Sterbehilfe in Österreich

Unter passiver Sterbehilfe versteht man das Unterlassen bzw. Beenden von lebensverlängernden Maßnahmen: Darunter fällt unter anderem das Abschalten eines Beatmungsgeräts. Die passive Sterbehilfe ist in Österreich legal. Viele Menschen halten zum Beispiel bereits im Rahmen ihrer Patientenverfügung schriftlich fest, wenn Sie KEINE lebensverlängernden Maßnahmen wünschen. Hat jemand keine Patientenverfügung, obliegt die Entscheidung über lebensverlängernde Maßnahmen in der Regel den Angehörigen bzw. sonstigen befugten Personen. 

Indirekte Sterbehilfe

Die indirekte Sterbehilfe wird häufig mit der passiven Sterbehilfe verwechselt bzw. gleichgesetzt. Sie sind allerdings nicht ganz deckungsgleich: Bei der indirekten Sterbehilfe wird die Beschleunigung des Todeseintritts als Nebenwirkung durch die Verabreichung schmerzlindernder Medikamente in Kauf genommen

Dies ist zum Beispiel im Rahmen der Schmerzbehandlung bei Patient:innen im Endstadium der Fall. Wir sprechen in diesem Zusammenhang auch der Palliativbehandlung. Die indirekte Sterbehilfe ist in Österreich, genau wie die passive Sterbehilfe, NICHT strafbar.

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Beihilfe zum Suizid – was ist das?

"Beihilfe zum Suizid" bezeichnet die Selbsttötung mithilfe einer Person. Das heißt, dass eine andere als die sterbewillige Person das entsprechende Mittel (in der Regel ein Medikament) für die Tötung bereitstellt. Das Medikament muss aber trotzdem aktiv von der sterbewilligen Person eingenommen werden bzw. muss die Sonde für die Verabreichung von der sterbewilligen Person betätigt werden. Anderenfalls handelt es sich um aktive Sterbehilfe, die in Österreich (anders als in Belgien, den Niederlanden und Luxemburg) nach wie vor verboten ist.

In Österreich war die Beihilfe zum Suizid bis 2022 noch verboten. Seit dem 01.01. 2022 gab der Verfassungsgerichtshof aber bekannt, dass dieses Verbot gegen das Recht auf Selbstbestimmung verstoße. Seither ist die Beihilfe zum Suizid in Österreich legal.

Beihilfe zum Suizid mittels Sterbeverfügung

Seit dem 01.01.2022 ist die Beihilfe zum Suizid in Österreich nicht mehr strafbar, SOFERN eine notariell beglaubigte Sterbeverfügung vorliegt. Eine solche Sterbeverfügung können ausschließlich dauerhaft schwer erkrankte bzw. unheilbar kranke Menschen beantragen und beglaubigen lassen. Minderjährige sind aktuell noch nicht berechtigt, Sterbeverfügungen zu erstellen.

 Die Sterbeverfügung stellt sicher, dass die sterbewillige Person in bestimmten Apotheken in Österreich ein entsprechendes letales Präparat abholen bzw. abholen lassen kann. Auch die Unterstützung bei der Einnahme (z.B. durch entsprechende Präparation des Medikaments) kann im Rahmen der Beihilfe zum Suizid durch eine andere Person erfolgen. Nur die Einnahme selbst muss aktiv durch die sterbewillige Person erfolgen.

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Debatte um die aktive Sterbehilfe in Österreich

In der herrschenden Debatte um die aktive Sterbehilfe geht es darum, ob es Personen, die aufgrund eines unerträglichen und unheilbaren Leidens über ihren eigenen Tod bestimmen wollen und dabei auf Hilfe angewiesen sind, ermöglicht wird, sich mit fremder Hilfe das Leben zu nehmen. Gegner einer solchen aktiven Sterbehilfe führen folgende Argumente an:

  • Emotionale Belastung der ausführenden Person, da die Sterbewilligen in der Regel Personen aus dem engen Familienkreis um Beihilfe zum Suizid bitten.
  • Gefahr alternativer Motivationen, wenn z.B. pflegende Personen die (angeblich) sterbewillige Person als Belastung empfinden und/oder ein finanzielles Motiv haben.
  • Zu niedrige Hürde für chronisch depressive Personen.
  • Gefahr finanzieller Ausbeutung durch Geschäftsmodelle, die mit dem Bedarf nach aktiver Sterbehilfe Gewinne erzielen.

Argumente FÜR eine aktive Sterbehilfe

Doch es sind nicht nur die Gegner der aktiven Sterbehilfe, die gute Argumente ins Feld führen. Die Befürworter einer aktiven Sterbehilfe in Österreich sehen folgende Gründe:

  • Ein Tod ohne Schmerzen: In machen Fällen ist es trotz medizinischer und palliativer Begleitung nicht möglich, ein schmerzfreies Sterben zu gewährleisten. 
  • Ein würdevolles, selbst bestimmtes Ende: Viele Menschen wünschen sich, Ihren Todeszeitpunkt selbst zu wählen, um beispielsweise keine Last für die Angehörigen darzustellen. Dies gilt insbesondere, wenn der Verlust über die Körperfunktionen droht und/oder der teilweise oder komplette Verlust der geistigen/mentalen Kapazitäten.

Manche Befürworter der aktiven Sterbehilfe vertreten sogar die Auffassung, dass die Erklärung des Sterbewillens auch dann zu akzeptieren und zu respektieren sei, wenn der Suizidwunsch im Rahmen einer psychischen Erkrankung (z.B. Depression) auftritt. Sie argumentieren damit, dass Personen mit psychischen Erkrankungen auch berechtigt seien, ärztliche und/oder psychologische Behandlungen abzulehnen. Ihr Wunsch nach Suizid sei also ebenso zu respektieren. 

Um persönliche Interessen der Angehörigen auszuschließen, sei es außerdem wichtig, dass die Sterbehilfe nur von anerkannten Institutionen durchgeführt würde. Dies würde auch vorbeugen, dass durch die Sterbehilfe ein unmoralisches Geschäftsfeld entstehe.

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Quellen

Letztehilfe.at: Verein für selbstbestimmtes Leben (Link)

Profil.at: Sterbehilfe: Dürfen Pflegefälle beim Freitod unterstützt werden? (Link)